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Zwei Jahre Pandemie aufgrund von SARS-CoV-2

Ein Update zum aktuellen Umgang in der optometrischen Praxis

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@ Pexels / Cedric Fauntleroy

Hygiene-Empfehlungen für Optometristen und Kontaktlinsen-Spezialisten existieren seit Jahrzehnten. Die Aufklärung und Notwendigkeit hygienischer Maßnahmen für die Untersuchung von Patienten und dessen Umgang mit Kontaktlinsen nimmt während der Corona-Pandemie deutlich an Relevanz zu. Bereits nach dem Ausbruch von SARS-CoV, vornehmlich im asiatischen Raum im Jahr 2003 wurden zahlreiche Studien durchgeführt und Arbeitsweisen erarbeitet, um Personal im Bereich der Augenheilkunde zu schützen.1 Sie gelten für dessen relevante Tätigkeitsfelder sowie für die genutzten spezifischen Räumlichkeiten. Seit dem Auftreten von SARS-CoV-2 in Deutschland haben sich besondere Hygiene-Empfehlungen und staatlich angeordnete Richtlinien ergeben, die sich zeitweise ändern und an den vorherrschenden Bedingungen anpassen.

Die Durchführbarkeit der optometrischen Untersuchung und Kontaktlinsenversorgung während der Pandemie werden durch entsprechende hygienische Maßnahmen und Infektionskontrollen gewährleistet. Ein Infektionsschutz verringert die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und die Verbreitung des Coronavirus.
Viren wie z.B. Hepatitis-C-Viren nutzen u.a. die Konjunktiva als Eintrittspforte in den Körper, indem sie sich an die Zellen der Augenoberfläche binden und so eine Infektion auslösen.2 SARS-CoV-2 folgt nicht diesem Muster.3
SARS-CoV-2 benötigt als Bindung das membrangebundene Enzym ACE2 als Rezeptor und die Serinprotease TMPRSS2, um eine humane Zelle zu infizieren und sich zu vermehren.4 SARS-CoV-2 selbst besitzt eine Virushülle mit einer nach außen ragende Proteinstruktur, welche als Spike-Protein (S-Glykoprotein) bezeichnet wird. Das Spike-Protein heftet sich an das Enzym ACE2, wodurch die Serinprotease TMPRSS2 aktiviert und eine Membranfusion und Freisetzung der Virus-RNA in der Wirtszelle erreicht wird. Dieser Prozess der Endozytose wird in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1 Endozytose: 1. Anheften von Sars-CoV-2 am Protein, 2. Strukturänderung des Proteins und dadurch hervorgerufene Exposition des Fusionsproteins, 3. Dieses katalysiert anschließend die Membranfusion

Eine Expression von ACE2-Rezeptoren und TMPRSS2 kann in den Epithelien der kornealen und konjunktivalen Epithelzellen nachgewiesen werden, treten aber nur in geringen Mengen auf. Der konjunktival vermittelte Infektionsweg lässt sich somit dennoch nicht ausschließen.4

COVID-19 Patienten mit Augenbeteiligung wurden in wenigen Fällen positiv auf Coronaviren-Partikel im Tränenfilm getestet. Dies ist jedoch kein Nachweis für das Vorhandensein infektiöser Virenpartikel.5 Ob sich gesunde Menschen über den Tränenfilm infizieren können, konnte dadurch nicht geklärt werden. Jede Infektion der oberen Atemwege kann zu einer viralen Konjunktivitis als sekundäre Komplikation führen, so auch COVID-19.6 Auslöser sind möglicherweise Kontakte zu Aerosolen oder Hand-Auge-Kontakte. Daher empfehlen die WHO und die American Academy of Ophthalmology (AAO) während einer ophthalmologischen Behandlung von Patienten mit Verdacht auf COVID-19 einen Augenschutz (z.B. eine Schutzbrille oder einen Schutzschild) zu tragen, um eine Tröpfcheninfektion zu verhindern.7 Augenoptiker, Optometristen und Kontaktlinsen-Spezialisten sollten diesbezüglich stets wie gewohnt vorgehen und in jedem Fall einer ihnen vorliegenden Binde- und Hornhautentzündung des Patienten, die Ursache ausmachen. Virale Konjunktivitiden, können wie die epidemica (KCE) hochansteckend sein und sind zur weiterführenden Behandlung immer an den Ophthalmologen zu überweisen.

Hauptübertragungsweg: Aerosol

Anfangs galt die klassische Tröpfcheninfektion als Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2. Nach erfolgreicher interdisziplinärer, internationaler Forschungsarbeit ist heute bekannt,  dass die Übertragung vorwiegend durch Kleinst-Schwebeteilchen (Aerosole), die von einem Infizierten ausgestoßen werden, erfolgt. Aerosole werden mit jedem Sprechen, Singen, Niesen, Husten usw. ausgestoßen und schweben je nach Größe unterschiedlich lange in der Luft. Bei einem direkten Kontakt, unter 1,5m Abstand, ist die Exposition an großen Tröpfen und Aerosol höher und nimmt bei größer werdender Entfernung ab.8 Die meisten Atemtröpfchen konzentrieren sich innerhalb von 0,5m vom Mund einer Person, bevor sie  entweder zu Aerosole werden oder zu Boden fallen.9 Eine möglichst hohe Frischluftzufuhr durch regelmäßiges Öffnen von Fenstern und Türen oder durch eine raumlufttechnische Anlage sorgt durch gezielten Luftaustausch für einen Verdünnungseffekt der möglicherweise vorhandenen Virenbelastung pro Kubikmeter Luft.

Aus den bisherigen Erkenntnissen lassen sich die Bedeutung einer bestehenden Abstandsregelung in Innenräumen und draußen von 1,5m zwischen einzelnen Personen sowie die Reduktion von Aerosolen in Innenräumen durch das Tragen einer Mund-Nasen-Maske und durch konsequentes Lüften und den sachgerechten Einsatz von Lüftungstechnik begründen. Je länger ein Kontakt zu anderen besteht und es zum Unterschreiten der Abstandsregelung kommt, desto wahrscheinlicher ist die Gefahr einer Ansteckung.

Die Gefahr sich mit der Multiorganerkrankung Covid-19 anzustecken, erhöht sich mit der Mutation der SARS-CoV-2 Varianten Delta sowie der im November 2021 neu entdeckten Variante Omikron, für jeden einzelnen. Für Omikron zum jetzigen Zeitpunkt (2. Dezember 2021) nicht nachgewiesen, aber für Delta gilt, es ist weitaus infektiöser, als das ursprünglich in Wuhan zuerst aufgetretene Virus SARS-CoV-2. Eine okuläre Beteiligung zeigt sich hauptsächlich in Form  einer Konjunktivits. In den nachgewiesenen Fällen verliefen die Konjunktivitiden zumeist in milder, follikulärer Form und ließen sich von anderen viral verursachten Konjunktivitiden nicht unterscheiden.10 Die Kausalität zwischen einer auftretenden Konjunktivitis und SARS-CoV-2 bleibt bisher unklar und kann nicht eindeutig bestimmt werden.

Umso wichtiger ist die Hygiene im eigenen Betrieb sowie die Umsetzung der geltenden landesspezifischen Regelungen.
Aufgrund der vielen verschiedenen Betriebssituationen in der Augenoptik/Optometrie sind  individuelle  Hygienepläne notwendig um den Schutz der Patienten und Mitarbeiter aufrechtzuerhalten. Trotz der Verringerung der Infektionszahlen während des Sommers in Deutschland, müssen die erstellten Hygienekonzepte sowie einzelne, jeweiligen Regelungen in den Bundesländern in vollen Umfang, entschieden und konsequent umgesetzt werden. Mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 hatten sich bis September 2020 nachweislich mehr als 24 Millionen Menschen angesteckt, mittlerweile sind es rund 263 Millionen erkrankte und 5,22 Millionen Todesopfer weltweit.

Besondere hygienische Anforderungen an Kontaktlinsenträger

Die Aufklärung und Notwendigkeit hygienischer Maßnahmen für die Untersuchung von Patienten und dessen Umgang mit Kontaktlinsen bleibt höchst relevant.
Die Anpassung von Kontaktlinsen ist und bleibt in einigen Fällen, in denen unklar ist, ob die vorgeschriebenen hygienischen Empfehlungen vom Patienten eingehalten werden/können, Ermessenssache. Das Tragen von Kontaktlinsen ist während der Corona-Pandemie ebenso sicher, sofern alle Hygieneregeln des normalen Kontaktlinsentragens fortlaufend angewendet werden.
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Die Kontaktlinsen-Hygiene sollte um eine zusätzliche Handhygiene nach dem Auf- und Absetzen der Kontaktlinsen ergänzt werden. Das Händewaschen nach dem Auf- und Absetzen dient dem Schutz der Mitmenschen. In Übereinstimmung mit den Richtlinien für andere Arten von Erkrankungen, sollten das Tragen von Kontaktlinsen im Krankheitsfall eingestellt werden.12 Nachstehende Hygieneregeln sollten dem Patienten bei jedem Besuch mit erhöhter Dringlichkeit mitgeteilt werden:

  • Kontaktlinsenträger müssen strikt die vom Hersteller empfohlenen Tragezeiten einhalten.
  • Wiederverwendbare Kontaktlinsen müssen stets nach jeder Verwendung desinfiziert werden. Hierbei ist eine gründliche und ausgiebige Reinigung der Kontaktlinsen notwendig. Die Kontaktlinsen sollten in jedem Fall manuell von beiden Seiten (mind. 30 Sek.) im Pflegemittel gerieben werden.
  • Das Kontaktlinsenpflegemittel muss nach Empfehlung des Herstellers verwendet werden.
  • Kontaktlinsenpflegemittel müssen nach Gebrauch wieder verschlossen werden.
  • Im Fall einer COVID-19 Erkrankung dürfen die bis zu diesem Zeitpunkt verwendeten Kontaktlinsen und das geöffnete Pflegemittel nicht wiederverwendet werden.  Der genutzte Kontaktlinsenbehälter sowie andere Hilfsmittel, wie eine Pinzette müssen entsorgt bzw. wenn es das Material zulässt ausgekocht werden.
  • Dem Kontaktlinsenträger ist anzuraten während einer Erkrankung Brille zu tragen, um eine Infektion der Konjunktiva zu vermeiden.
  • Nach vollständiger Genesung sollte ein neues Kontaktlinsenpaar, ein ungeöffnetes Pflegemittel und ein neuer, unbenutzter Kontaktlinsenbehälter verwendet werden.

Im Umgang mit COVID-19 sind die meisten Menschen sensibilisiert – aber niemand darf müde werden, weiter die Regeln zu beachten und zu befolgen, um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 nach Möglichkeit einzuschränken. Für die optometrische Praxis ist entscheidend, dass die Patienten mehr denn je Änderungen im gewohnten Ablauf annehmen. Sie sind nicht nur im augenoptischen Fachgeschäft damit konfrontiert. Die allgemeine Akzeptanz Hand-Hygiene durchzuführen, ist momentan stark ausgeprägt und dies eröffnet die Chance die Compliance bei Kontaktlinsenträgern zu erhöhen. Optometristen sowie Kontaktlinsen-Spezialisten müssen gerade in dieser Zeit ein vertrauensvoller Ansprechpartner sein.

Literaturverzeichnis

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 [2]Kumar, K., Prakash, A., Gangasagara, S., Rathod, S.L., Ravi, K., Rangaiah, A., Shankar, S., Basawarajappa, S., Bhushan, S., Neeraja, T., et al. (2020). Presence of viral RNA of SARS-CoV-2 in conjunctival swab specimens of COVID-19 patients. Indian J. Ophthalmol. 68, 1015.

[3] Willcox, M.D., Walsh, K., Nichols, J.J., Morgan, P.B., and Jones, L.W. (2020). The ocular surface, coronaviruses and COVID‐19. Clin. Exp. Optom. 103, 418–424.

[4] Schnichels, S., Rohrbach, J.M., Bayyoud, T., Thaler, S., Ziemssen, F., and Hurst, J. (2020). Kann SARS-CoV-2 das Auge infizieren? – Ein Überblick über den Rezeptorstatus in okularem Gewebe. Ophthalmol. 117, 618–621.

[5] Lange, C., Wolf, J., Auw-Haedrich, C., Schlecht, A., Boneva, S., Lapp, T., Agostini, H., Martin, G., Reinhard, T., and Schlunck, G. (2020). Welche Bedeutung hat die Bindehaut als möglicher Übertragungsweg für eine SARS-CoV-2-Infektion? Ophthalmol. 117, 626–630.

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Endozytose: 1. Anheften von Sars-CoV-2 am Protein, 2. Strukturänderung des Proteins und dadurch hervorgerufene Exposition des Fusionsproteins, 3. Dieses katalysiert anschließend die Membranfusion (© (Lange et al., 2020), basierend auf 13,14