Stürze im Alter
Laut statistischem Bundesamt stieg in Deutschland der Anteil der Menschen ab 65 Jahren in der Zeit von 1990 und 2018 um 50 Prozent von 11,9 Millionen auf 17,9 Millionen. Für die nächsten 20 Jahre wird ein weiterer Anstieg auf mindestens 22,7 Millionen vorausgesagt.1 Zehn Millionen ältere Menschen stürzen jährlich in Deutschland. 500.000 Stürze müssen jährlich stationär in Deutschland behandelt werden.2 Weltweit kommen jährlich 30 Prozent der Erwachsenen im Alter oberhalb von 65 Jahren zu Fall.3
Die Ursachen für Stürze im Alter sind multifaktoriell. Hierzu gehören unter anderem neben Gleichgewichtsproblemen, Muskelschwäche der Beine, periphere Neuropathien, vestibuläre Dysfunktionen, Orthostase, kognitive Beeinträchtigungen, Funktionseinbußen, Parkinson und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor allem auch Sehstörungen unterschiedlichster Art.4,5
In seiner 2014er Publikation widmet sich David Elliott detailliert der Thematik „Verschwommensehen, Brillenkorrektion und Stürze bei älteren Menschen“.6 Optometristen rät Elliott in Verbindung mit Brillenverordnungen bei älteren Menschen konservativ vorzugehen. Hierzu gehört in Abhängigkeit vom Visus der Betroffenen, maximale Stärkenänderungen von etwa 0,75 dpt und bei Astigmatismuskorrektionen in Verbindung mit schiefen Achsen nur minimale Achsveränderungen vorzunehmen. Auch bei der Wahl des Glasdesign sei es mitunter angebracht, den bestehenden Glastyp beizubehalten, so lange keine fachlichen oder andere Gründen dagegen sprechen.
Den Einfluss des Brillendesigns auf mögliche Stürze untersuchten auch Lord et al. in einer neueren Studie.7 Integriert waren 268 Teilnehmer (Durchschnittsalter 80,3 Jahre), welche über einen Zeitraum von 13 Monaten sechs Monate lang auf Stürze untersucht wurden und reguläre Träger einer Mehrstärkenbrille waren. Zu Beginn der Studie wurden die Teilnehmer bezüglich der Sensomotorik, des Gleichgewichts, der Leistung beim Aufstehen und beim Gehen sowie des Aktivitätsniveaus überprüft. Hiernach folgte eine Untersuchung bei ihrem Optometristen. Falls erforderlich bekamen sie eine neue Sehhilfe aber keine Ratschläge zur Verwendung ihrer Brille. Das Glasdesign (Bifokal-, Trifokal- oder Gleitsichtbrille) wurde nicht geändert. Als Ergebnis zeigte sich, dass eine Gleitsichtbrille möglicherweise das Sturzrisiko stärker erhöht als eine Bifokalbrille. Die Wahrscheinlichkeit, mehrfach zu stürzen, war unter Berücksichtigung der etablierten Sturzrisikofaktoren bei Gleitsichtbrillenträgern mehr als doppelt so hoch als bei Bifokalbrillenträgern.
Eine weitere interessante Studie „Die Bedeutung der Bewertung des Sehvermögens für das Sturzmanagement: Ein narrativer Überblick“ wurde von Metha und Baig ebenfalls 2025 veröffentlicht.8 Basis der Publikation waren Literaturrecherchen für die Zeit 1887 bis heute. Die Ergebnisse ergaben einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Stürzen und der altersbedingten Abnahme visueller Funktionen einschließlich der Sehschärfe, des binokularen Einfachsehens und des Gesichtsfelds, aber auch des Kontrastsehens und der Stereopsis.
Die beschriebenen Studien verdeutlichen einmal mehr die Verantwortung beider Eye-Care-Berufe im Kontext der Sturzprävention älterer Patienten. Sowohl eine vollständige Augenuntersuchung als auch die Sehhilfenverordnung und Auswahl des geeigneten Brillenglases sind gleichermaßen wichtig, das Sturzrisiko zu reduzieren.
[1] Statistisches Bundesamt (2025). Bevölkerung: Zahl der älteren Menschen wird zunehmen. https://www.destatis.de/DE/
Themen/Querschnitt/Demografischer-Wandel/Aeltere-Menschen/anstiegaeltere.html. Referencing: 13 April 2025.
[2] Haynert, A. (2023). Trittunsicherheit im Alter – 10 Millionen Stürze im Jahr: Altersmediziner fordern Hilfe für alte Menschen. https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/hausaerzte-trittsicherheit-sturz-geriatrie-alter-100.html. Referencing: 13 April 2025.
[3] Ganz, D. A., Latham N. K. (2020). Prevention of Falls in Community-Dwelling Older Adults. N. Engl. J. Med., 382, 734-743.
[4] Rubenstein, L. Z., Josephson, K. R. (2002). The epidemiology of falls and syncope. Clin. Geriatr. Med., 18, 141-58.
[5] NIH (National Institute of Aging). (2025). Falls and Fractures in Older Adults: Causes and Prevention. https://www.nia.nih.gov/health/falls-and-falls-prevention/falls-and-fractures-older-adults-causes-and-prevention. Referencing: 13 April 2025.
[6] Elliott, D. B. (2014). The Glenn A. Fry award lecture 2013: blurred vision, spectacle correction, and falls in older adults. Optom. Vis. Sci., 91, 593-601.
[7] Lord, S. R., Ivers, R., Cameron, I. D., Lee, B. B., Haran, M. (2025). Fall rates in bifocal, trifocal, and progressive addition lens glasses wearers. Optom. Vis. Sci., 102, 106-109.
[8] Mehta, J., Baig, A. (2025). The importance of assessing vision in falls management: A narrative review. Optom. Vis. Sci., 102, 110-120.